Fachkräftemangel, Robotik und KI: Wie Schweizer Unternehmen reagieren müssen
In der Schweiz fehlen zunehmend qualifizierte Arbeitskräfte – gleichzeitig eröffnen Robotik und Künstliche Intelligenz neue Chancen. Der kritische Balanceakt liegt im gezielten Einsatz, nicht im blinden Ersatz.
Die wirtschaftliche Stärke der Schweiz basiert zu einem wesentlichen Teil auf hochqualifizierten Fachkräften. Doch demografischer Wandel, steigende Anforderungen an digitale Kompetenzen und globale Konkurrenz verschärfen den Fachkräftemangel. In diesem Umfeld gelten Robotik und KI nicht mehr als Zukunftsmusik, sondern als mögliche Reaktionsstrategie – allerdings nur, wenn sie klug und differenziert eingesetzt werden.
Der Fachkräftemangel in der Schweiz – ein existenzielles Thema
Der Fachkräftemangel in der Schweiz ist bereits heute deutlich spürbar: Besonders betroffen sind Ingenieure, technische Fachkräfte, Informatiker und Spezialisten in Mechatronik oder Automatisierung. Laut einer Umfrage von Adecco wollen 66 % der Unternehmen KI-Fachkräfte extern rekrutieren statt intern Umschulungsmassnahmen zu ergreifen.
Die Nachfrage nach KI‑bezogenen Stellen explodiert: Seit 2019 hat sich die Anzahl Ausschreibungen in der Schweiz verzehnfacht – 2024 lag ihr Anteil am Gesamtmarkt bereits bei 1,4 %.
Gleichzeitig zeigt eine Studie von Implement Consulting, dass eine weitreichende Einführung generativer KI das Schweizer Bruttoinlandsprodukt innert zehn Jahren um 80–85 Milliarden CHF steigern könnte – in etwa 11 %.
Damit stehen Unternehmen unter Druck: Sie müssen einerseits den Mangel an Mitarbeitern kompensieren, andererseits die richtigen Entscheidungen treffen, um nicht falsche Prioritäten zu setzen.
Robotik als Teil der Antwort – aber mit Augenmass
Viele Firmen sehen in Robotik bereits eine unmittelbare Lösung: Im produzierenden Gewerbe werden immer mehr Roboter eingesetzt, um Engpässe zu überbrücken.
Doch die einfache Automatisierung ist nur der Anfang. In der Schweiz sieht man die zunehmende Bedeutung intelligenter Robotik, bei der KI-Module regelbasiertes Verhalten mit lernfähigen Komponenten kombinieren.
Insbesondere Integratoren – also Dienstleister, die Robotiksysteme mit KI‑Technologien verbinden und in bestehende Produktionsumgebungen einpassen – werden zunehmend relevant.
Für Schweizer Unternehmen bedeutet das: Nicht jede stationäre Maschine muss ersetzt werden. Vielmehr geht es um gezielte Ergänzungen, die dort greifen, wo Mensch-Maschine-Kollaboration sinnvoll ist.
KI zur Effizienzsteigerung und Fehlerminimierung
Robotik alleine genügt nicht. Künstliche Intelligenz kann Produktionsprozesse selbstständig optimieren – etwa durch Predictive Maintenance, Echtzeitanalyse oder autonomes Planen.
In vielen Betrieben dominieren heute noch regelbasierte Roboteranwendungen. Das Potenzial intelligenter Systeme ist aber erheblich höher: Sie können auf Abweichungen und Unvorhergesehenes reagieren, adaptiv lernen und sogar eigenständige Entscheidungen treffen.
Ein Beispiel: In der Intralogistik und Lagerhaltung finden KI-gestützte Systeme Anwendung, um Materialflüsse zu steuern und Engpässe frühzeitig zu erkennen. In Gesundheitseinrichtungen automatisiert die Swisslog Healthcare AG Medikamente, Transportprozesse und Kommissionierungstechnik mit Robotiklösungen.
Doch auch KI hat Risiken: Sie kann den Fachkräftemangel paradoxerweise verschärfen. Wenn Unternehmen nur externe KI-Experten rekrutieren statt bestehende Mitarbeitende weiterzubilden, entsteht ein Wettbewerb um Talente, der die Lohnkosten in die Höhe treibt.
Strategien für Schweizer Unternehmen – fünf Kernansätze
- “Buy vs. Build“ sorgfältig abwägen: Rekrutieren externer Fachkräfte oder intern umschulen? Eine durchdachte Kombination kann nachhaltiger sein.
- Skill-Strategie entwickeln: Für KI-Anforderungen sollten Qualifikationspfade geschaffen werden, etwa über berufliche Fortbildungen oder Kooperation mit Fachhochschulen.
- Schrittweise Automatisierung: Prozessbereiche identifizieren, die voll automatisiert, teilautomatisiert oder manuell bleiben – mit Pilotprojekten starten.
- Organisationskultur schaffen: Unternehmen, die sich offen für Automatisierung und Veränderung zeigen, haben höhere Wahrscheinlichkeit, KI und Robotik zu integrieren.
- Kooperation mit Forschungseinrichtungen: Forschung in Robotik und KI ist in der Schweiz stark (z. B. Robotik-Abteilungen an der ETH). Kooperationen ermöglichen Zugang zu Know-how und Talenten.
Erfolgsbeispiele aus der Schweiz
Der Schweizer Robotikhersteller Stäubli International etwa kombiniert traditionelle Maschinentechnik mit hochpräziser Robotik. Das Unternehmen ist ein klassischer Anbieter von Industrierobotern in der Schweiz mit globaler Reichweite.
Im akademischen Umfeld prägt Persönlichkeiten wie Marco Hutter (ETH Zürich), Mitentwickler und Pionier in mobiler Robotik, massgeblich die Schnittstelle zwischen Forschung und industrieller Anwendung.
Solche Beispiele zeigen: Der Wandel ist möglich – mit Innovationsfreude, Zielstrebigkeit und strategischen Allianzen.
Risiken und Grenzen nicht übersehen
Technologie kann menschliche Arbeit nicht vollständig ersetzen, besonders in Bereichen mit hoher Kreativität, Empathie oder strategischem Denken. Der Mensch bleibt weiterhin zentral.
Fehlender Datenschutz, ethische Fragen, Akzeptanzprobleme und hohe Investitionskosten sind zusätzliche Hürden. Ebenso kann eine zu schnelle Umstellung bestehenden Mitarbeitenden das Gefühl vermitteln, ihre Kompetenzen seien obsolet – was Negativspiralen auslösen kann.
Unkoordiniertes Vorgehen oder zu hohe technische Ambitionen ohne Praxisbezug führen oft zu Fehlinvestitionen.
Ausblick: eine hybride Zukunft
Die Transformation ist kein Entweder‑oder, sondern eine Balance zwischen Mensch und Maschine. In vielen Fällen werden Hybridmodelle mit teilautonomen Robotiksystemen sinnvoll sein.
Die Schweiz steht heute an einem Wendepunkt: Unternehmen, die frühzeitig eine kluge Automatisierungs- und KI‑Strategie verfolgen, können sich Wettbewerbsvorteile sichern und Fachkräftemangel entschärfen.
Doch entscheidend bleibt die Integration des Menschen – nicht als letzter Baustein, sondern als Partner der Technologie.
Quelle: businessaktuell.ch‑Redaktion
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