ETH Zürich eröffnet Albert Einstein School of Public Policy: Wissenschaft im Dialog

Am 21. Oktober hat die Hochschule ein neues interdisziplinäres Zentrum eröffnet, um Wissenschaft, Technologie und Verwaltung besser miteinander zu verbinden.

Direktor Tobias Schmidt erklärt im Interview, wie die neue Einrichtung den Dialog zwischen Wissenschaft und Verwaltung fördern und die Grundlagen für faktenbasierte Entscheidungen schaffen will.

Von Klimawandel über Pandemien und bewaffnete Konflikte bis hin zu künstlicher Intelligenz – angesichts dieser und weiterer Herausforderungen ist eine effektive Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Politik wichtiger denn je. Vor diesem Hintergrund hat die ETH Zürich die Albert Einstein School of Public Policy gegründet.

Dieses neue interdisziplinäre Zentrum soll Wissenschaft, Technologie und Politikgestaltung miteinander verbinden, indem es bestehende Aktivitäten in der Aus- und Weiterbildung, in der Forschung sowie im Dialog mit Politik und Verwaltung ausbaut und weiterentwickelt.


Tipp: Die Albert Einstein School of Public Policy will Wissenschaft und Verwaltung enger vernetzen, um fundierte politische Entscheidungen zu fördern.

Herr Schmidt, weshalb braucht die ETH Zürich eine School of Public Policy?
Wir wollen Politiker und Mitarbeitende der öffentlichen Verwaltung dabei unterstützen, faktenbasierte Entscheidungen fällen zu können, die auf aktuellem Wissen beruhen. Dafür wollen wir in einen aktiven Dialog treten und die Grundlagen zur Verfügung stellen.

In welcher Form machen Sie das?
Für einen erfolgreichen Dialog stehen Netzwerke und persönliche Beziehungen zwischen Forschenden und Personen aus Verwaltung und Politik im Zentrum. Darum sind Aus- und Weiterbildung für uns zentral, denn gerade so entstehen solche Netzwerke. Die Forschung ist ebenso wichtig, weil wir dadurch relevante Fragestellungen im engen Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren angehen können. Für den eigentlichen Wissensaustausch bedienen wir uns verschiedener Formate und wollen dabei auch neue Wege gehen.

Können Sie dafür ein paar Beispiele geben?
Erwähnenswert sind sicher die ETH Policy Fellowships. Dieses Programm bietet Entscheidungsträgern der Verwaltung die Gelegenheit, für eine kurze Zeit an die ETH zu kommen und sich mit Forschenden zu vernetzen. Umgekehrt erlaubt es Forschenden, Fragestellungen und Abläufe in der Verwaltung kennenzulernen. Darüber hinaus entwickeln wir Formate wie etwa co-designte Forschung oder Angebote für Studierende, in denen sie sich – im Stile eines Hackathons – bei realen Fragestellungen aus Politik und Verwaltung einbringen können. Im Zentrum unserer Anstrengungen steht immer der Dialog mit den Entscheidungsträgern. Denn beide Seiten lernen voneinander.

Aber passiert dieser Wissenstransfer nicht schon jetzt?
Selbstverständlich engagieren sich viele Forschende schon jetzt. Die ETH Zürich ist seit ihrer Gründung ein Ort, an den sich Bundespolitiker und die öffentliche Verwaltung wenden konnten. Doch die Fragen werden immer vielfältiger und komplexer, und auch die ETH ist über die Jahre gewachsen. Da reichen informelle Kontakte nicht mehr, es braucht auch gute Strukturen dafür. Wir sehen uns einerseits als erste Anlaufstelle, etwa für Mitarbeitende öffentlicher Verwaltungen, die Expertise von der ETH benötigen. Andererseits geht es uns darum, den Wissensaustausch zu systematisieren und mit den gesellschaftlichen Anspruchsgruppen ein gemeinsames Verständnis und ein gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

Können Sie das etwas ausführen?
Manche der Kolleginnen und Kollegen, die sich in der Taskforce engagierten, haben mir erzählt, dass man ihnen mit einer gewissen Skepsis begegnete, weil man ergründen wollte, welche versteckten Interessen sie verfolgen. Es brauchte einige Zeit, bis die Entscheidungsträger realisierten, dass die Wissenschaft keine versteckte Agenda hat. Zu einem gewissen Unverständnis führte auch, dass sich die Ratschläge aus der Forschung über die Zeit änderten – dies, weil neue Erkenntnisse vorlagen.

Und wie sieht das auf der Wissenschaftsseite aus?
Die Vertreter aus den Hochschulen hatten teilweise Mühe zu verstehen, weshalb die politischen Instanzen ihre Empfehlungen nicht sofort eins zu eins umsetzten. Doch politische Entscheide fussen eben auch auf öffentlicher Akzeptanz, politischen und wirtschaftlichen Kosten sowie verschiedenen Wertvorstellungen.

Und die Einstein School of Public Policy soll dieses Verständnis füreinander fördern. Weshalb aber wird die neue Organisationseinheit als Schule bezeichnet?
Mit dem Namen folgen wir einer Tradition des angelsächsischen Raums, in dem solche Einrichtungen «Schools» heissen. Das bekannteste Beispiel ist sicher die Harvard Kennedy School. Organisatorisch sind wir ein ETH-Zentrum, vergleichbar mit dem AI-Center oder dem Energy Science Center. Mit der Anlehnung an die angelsächsischen Vorbilder betonen wir auch unseren internationalen Anspruch. Denn nicht nur Bern ist ein wichtiger politischer Dialogpartner. Und in der Lehre wollen wir vermehrt internationale Studierende an die ETH bringen, vor allem in unsere Executive-Education-Programme.

Nun lautet die ganze Bezeichnung «Albert Einstein School of Public Policy». Weshalb Einstein?
Einstein ist der bekannteste Alumnus der ETH und sein Einfluss reichte weit über die Wissenschaft hinaus. Er sah die Wissenschaft nicht als von der Gesellschaft isoliert an und war der Ansicht, dass Wissenschaftler eine moralische Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit haben. Einstein ist ein Vorbild für alle Wissenschaftler, die sich in die Politikgestaltung und in gesellschaftliche Debatten einbringen wollen. Zudem wollen wir mit einem Physiker im Namen zum Ausdruck bringen, dass die Einstein School an einer naturwissenschaftlich-technischen Universität angesiedelt ist und diese Expertise stark einbeziehen will.

Was wird vom Institute of Science, Technology and Policy (ISTP) übernommen?
Das ISTP war eine Art Testballon für die Einstein School. Wir haben unter anderem einen sehr erfolgreichen Masterstudiengang aufgebaut, den wir in der Einstein School weiterführen werden. Wir haben aber auch gesehen, was nicht so gut funktioniert und was wir anders machen müssen.

Sie sprechen die sechs Themengebiete an, in denen Sie Forschung, Lehre und Dialog anbieten wollen. Wo setzen Sie erste Prioritäten?
Wir haben das grosse Privileg, dass sich bei einzelnen Themen wichtige strategische Partner beteiligen. Im Bereich Frieden, Konflikt und Sicherheit haben wir etwa das Center for Security Studies an Bord, und bei Wirtschaft und Innovation ist es das KOF Institut. Ein erstes Leuchtturmprojekt werden wir gemeinsam mit dem Bundesamt für Landwirtschaft realisieren. Darüber hinaus planen wir eine enge Zusammenarbeit mit den anderen ETH-Zentren, beispielsweise in den Bereichen Umwelt-, Energie- und Ernährungssysteme oder AI und Digitales.

Worauf freuen Sie sich persönlich am meisten bei Ihrer neuen Aufgabe?
Auf den intensiven Austausch mit der Politik und Verwaltung, aber auch mit den Studierenden. Die Nachfrage nach solchen Schnittstellenangeboten ist riesig, sowohl an der ETH wie auch international. Ich freue mich besonders darauf, ein wirklich neues Angebot für Leute zu schaffen, die nicht unbedingt in der Forschung bleiben wollen, sondern an gesellschaftlichen Fragen interessiert sind und beispielsweise eine Karriere in der Verwaltung anstreben.

 

Quelle: ETH Zürich
Bildquelle: Balz Murer / ETH Zürich



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